"Mama, das ist Lila, das ist eher was für Mädchen", sagt mein Dreijähriger und gibt mir die Karnevalsmaske zurück. Ich warte schon lange darauf, dass ich genau mit dieser Situation konfrontiert bin: Mein Sohn, der etwas ablehnt, weil es vermeintlich nicht für Jungs ist. Daher fällt es mir auch nicht schwer eine Antwort darauf zu finden: "Wer sagt denn sowas? Farben sind für alle da. Schau mal, Du hast ein Dinoshirt, das lila ist und das magst Du auch. Also kann Lila nicht nur was für Mädchen sein." Ob meine Botschaft angekommen ist, wage ich zu bezweifeln. Es ist schwer gegen den Einfluss im Kindergarten anzukommen und dort wird er bombardiert mit Vorstellungen davon, was für Mädchen und was für Jungs ist. Zuletzt ging es um einen Peppa Wutz-Regenschirm, der angeblich nur für Mädchen ist. Weil Peppa ein rosa Schweinchen ist. Sind Schweinchen jetzt also nur noch für Mädchen geeignet?
Elsa für Mädchen, Spiderman für Jungs
Es ist verrückt, welch starken Einfluss ein simpler Marketing-Trick, um mehr Produkte zu verkaufen, inzwischen auf die Kinderzimmer der Welt hat und die Wahrnehmung dessen, was weiblich und was männlich ist. Bemüht man Wikipedia um eine Definition liest man da:
"Gender-Marketing ist ein Ansatz zur Vermarktung von Produkten und Dienstleistungen, der zum einen auf die Entwicklung und Herstellung von Produkten und Dienstleistungen abzielt, die für Männer oder Frauen unterschiedliche Vorteile haben. Außerdem sollen diese Vorteile bei der Bewerbung und dem Verkauf von Produkten und Dienstleistungen durch das Marketing besonders herausgestellt werden. Dabei werden nicht zwangsläufig traditionelle Geschlechterrollen und -stereotype verstärkt [...]."
Beim letzten Satz würde ich widersprechen. Der Gedanke, auf verschiedene Bedürfnisse von Konsument:innen einzugehen, ist an sich ja nicht verkehrt, aber inzwischen nimmt das Züge an, die meines Erachtens in ihrer Sinnhaftigkeit mehr als anzuzweifeln sind. Oder ist eine pinke Pizza wirklich etwas, worauf die Welt gewartet hat?
Noch wichtiger aber: Dadurch, dass insbesondere bei Kinderprodukten alles in Mädchen und Junge, Rosa und Blau aufgeteilt ist, wird bei Eltern und Kindern im Kopf zementiert, dass die Welt grundsätzlich in "für Mädchen" und in "für Jungs" aufgeteilt ist. Das wird dann schwierig, wenn durch diese Aufteilung Dinge komplett ausgeschlossen werden, z.B. Autos und Superhelden sind nur was für Jungs, Puppen und Prinzessinnen nur für Mädchen. Wir berauben unsere Kinder so der Möglichkeit, Interessen und Talente in Bereichen zu finden, die vermeintlich zum anderen Geschlecht gehören. Wir verankern damit auch, dass gewisse Eigenschaften gewissen Geschlechtern zugeordnet sind, wie etwa der starke Superheld und die hübsche Prinzessin. Und das wiederum zementiert ganz klar Stereotypen und Geschlechterrollen.
Vorleben, um es selbst besser zu machen
Kinder lernen durch Vorbilder. Die Vorbilder im Kindergarten helfen da schon mal nicht. Auch nicht, dass es zum Geburtstag für Jungs ein Matchbox-Auto gibt, für Mädchen ein Armband. Wieso nicht das gleiche für beide? Von mir aus etwas, was als Unisex gilt, wenn man keine Lust auf die Beschwerden aufgebrachter Eltern hat, die ebenfalls die Welt in klar weiblich und männlich aufteilen.
Ich für meinen Teil versuche dieser Aufteilung entgegenzuwirken, indem ich meinen Kindern Kleidung in "Mädchenfarben" kaufe – aber auch hier fällt es mir bei meinem männlichen Baby einfacher als bei meinem 3-jährigen. Es ist so fest verankert im Kopf, was für Jungs geht und was nicht, dass es Mühe macht sich darüber hinwegzusetzen. Es gibt bei uns pinkes Spielzeug und Motive, die als vermeintlich mädchenhaft gelten – obwohl es auch da fraglich ist, wieso Regenbögen und Einhörner nur was für Mädchen sein sollen.
Neben dem Bagger und Spielzeug-Werkzeugkasten sind auch eine Spielküche und Puppen zu finden. Und trotzdem gibt es für meinen 3-jährigen nichts Besseres als Fahrzeuge und Dinos. "Typisch Junge", würde der eine oder andere vielleicht sagen. Das ist auch in Ordnung und sein gutes Recht. Es geht mir darum, ihm Alternativen aufzuzeigen, die er sonst vielleicht gar nicht gezeigt bekäme. Vielleicht stellt er sich am Ende als begnadeter Balletttänzer heraus und das möchte ich ihm nicht verwehren. Ich möchte ihm auch nicht verwehren, später als Junge ohne Scham zu weinen und an Karneval sein rosa Häschenkostüm zu tragen.
Es geht mir auch darum, dass meine Kinder es als selbstverständlich und nicht als exotisch wahrnehmen, wenn ein Junge ein Prinzessinnen-Shirt trägt und ein Mädchen Batman so richtig verehrt, dass es vollkommen normal ist, dass es Erzieher und Baggerfahrerinnen gibt. Denn ich bin überzeugt, wenn wir wollen, dass wir echte Chancengleichheit erreichen, müssen Rollenbilder und Stereotypen in unserem Kopf gelöscht werden. Für uns Erwachsenen ist das ein mühevoller Prozess, vor allem muss erst einmal eine grundsätzliche Bereitschaft da sein. Bei unseren Kindern ist noch alles offen.
Daher gibt es beim Kindergeburtstag auch schon mal rosa Glitzertattoos genauso wie Autos als Giveaway für alle Kinder. Und im Kindergarten schlage ich als Nächstes ein Unisex-Geburtstagsgeschenk vor.
Wer übrigens noch mehr Beispiele bzgl. der sogenannten "Rosa-Hellblau-Falle" möchte oder Geschlechterklischees im Alltag gerne aufgezeigt bekommt, schaut sich die Instagramkanäle von seiten.verkehrt und rosahellblaufalle an. Aber Vorsicht, wer einmal das Thema annimmt und verinnerlicht wird feststellen wie voll die Welt, in der wir leben, davon ist.
Bildnachweis Titelbild: Foto von Element5 Digital auf Unsplash
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